Das Mahnmal in Elsey
Bauherr des Mahnmals an der Elseyer Esserstraße war der Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. Errichtet wurde es im Jahre 1978. Seither lädt der Verein jeweils am Volkstrauertag die Bevölkerung und gesellschaftlich relevante Gruppen Hohenlimburgs zur Gedenkstunde am Mahnmal ein. Gehen wir hier der Geschichte des Monuments nach, das seinen Standort unweit des ehemaligen Ehrenmals an der Iserlohner Straße, Einmündung Esserstraße, fand.
Einen Leserbrief zum Thema veröffentlichte der Iserlohner Kreisanzeiger (IKZ), Ausgabe Letmathe, in seiner Ausgabe vom 21. März 2012:
Das Ehrenmal
Das ehemalige Ehrenmal
War es kommunalpolitischer Kleingeist oder bundesrepublikanischer Zeitgeist? Das altehrwürdige Ehrenmal an der Einmündung der Esserstraße auf die Iserlohner Straße stand den Hohenlimburger Stadtvätern der sechziger Jahre im Wege. Und dies womöglich in doppeltem Sinne. In des Wortes wahrster Bedeutung jedenfalls hatte dies mit dem geplanten und Anfang der siebziger Jahre verwirklichten Ausbau jenes Straßeneinmündungsbereichs zu tun.
Aus Verkehrssicherheitsgründen sollte die spitzwinklige Einmündung zugunsten einer durch den Bereich des damaligen Ehrenmals führenden stumpfwinkligen Trassenführung aufgegeben werden. Und so kam es. Das architektonisch bemerkenswerte Ehrenmal, geplant von dem renommierten Hohenlimburger Architekten Eugen Friederich zur Erinnerung an die Gefallenen des Weltkriegs und errichtet in den Jahren 1925/26 von P. Nölken, Letmathe, wurde knapp fünfzig Jahre später abgerissen. Das geschah im September 1972.
Zentralfigur und Bronzetafeln des alten Ehrenmals
Die Zentralfigur des Ehrenmals, der steinerne betende Soldat, und die Bronzetafeln mit den Namen der im 1. Weltkrieg gefallenen oder an seinen Folgen gestorbenen Hohenlimburger Soldaten verschwanden für mehr als ein Jahrzehnt auf dem Bauhof der damaligen Stadt Hohenlimburg.
Es war der Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V., auf dessen Initiative diese Relikte des alten Ehrenmals im Jahre 1983 angemessene Standorte fanden: Der steinerne Soldat wurde im Eingangsbereich des katholischen Friedhofs an der Georg-Scheer-Straße aufgestellt, die Gefallenen-Tafeln an einer Mauer neben der evangelischen Stiftskirche in Elsey angebracht.
Je mehr Jahre nach dem Abriss des alten Ehrenmals vergingen, um so mehr wurden in der Bürgerschaft Hohenlimburgs Stimmen laut, die meinten, dass es in einer Kommune eines zentralen Ortes des Gedenkens an die Toten der Kriege, eines Mahnmals, bedürfe. Bei der Verwirklichung des Ziels Gedenkstätte sollte dem Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. eine Schlüsselrolle zukommen.
Planung eines Mahnmals
Die Umstände wollten es, dass der Chef der damals noch selbständigen Stadtsparkasse Hohenlimburg, Bruno Käding, Beiratsmitglied im Verein war. Und diese glückliche Konstellation führte – nach Absicherung durch die politischen Gremien und die Organe des Geldinstituts – dazu, dass die Stadtsparkasse Hohenlimburg bereit war, aus Mitteln ihres Jahresüberschusses 1974 dem Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. einen namhaften Betrag zur Errichtung eines Mahnmals für die Opfer der Kriege und der Vertreibung zu spenden.
In intensiven Diskussionen innerhalb des Vereins und zahlreichen Gesprächen mit der nach der Eingemeindung Hohenlimburgs (1.1.1975) zuständigen Stadt Hagen wurden die rechtlichen und planerischen Aspekte erörtert. Die Beteiligten kamen überein, das Mahnmal unweit des früheren Ehrenmals zu errichten, und zwar im Garten der Art-Déco-Villa Knipps an der Iserlohner Straße. Die Villa war in jener Zeit in das Eigentum der Stadt übergegangen (heute Außenwohngruppe der Jugendhilfe Selbecke).
Die Planung sah vor, den Mahnmalbereich in den schon bestehenden kleinen Park an der Einmündung Esserstraße – mit den Resten des Baumbestands nahe dem alten Ehrenmal und dem hinzugekommenen Brunnen mit Weltkugel – zu integrieren. Die neue Gedenkstätte, darüber bestand Einigkeit, sollte in Form eines schlichten Mahnmals gestaltet werden. Der Auftrag zur Planung und die Ausführung des Objekts gingen an den Wuppertaler Bildhauer Manfred Stölzel.
Die Einweihung
Am 19. November 1978, dem Volkstrauertag, wurde das Mahnmal der Öffentlichkeit übergeben. Der Einladung des Heimatvereins waren mehrere hundert Bürger gefolgt. Es herrschte prächtiges Spätherbstwetter. Die Einladung sah folgenden Programmablauf vor:
1. Trauermarsch von Chopin, gespielt vom Musikzug der Hohenlimburger Feuerwehr, Leitung Peter Klinger
2. Begrüßung und Ansprache des 1. Vorsitzenden des Vereins für Orts- und
Heimatkunde Hohenlimburg e.V., Gerhard Esser
3. Grußwort der Bezirksvorsteherin des Stadtbezirks Hagen-Ost (heute: „Stadtbezirk Hohenlimburg“), Marie Schumann
4. Lied (Sanctus, von Silcher) des Nahmer Männergesangvereins
5. Ansprache von Pfarrer Paul Marx, evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Elsey, im Namen der Hohenlimburger Kirchen
6. Kranzniederlegung und Spiel des Musikzugs der Hohenlimburger Feuerwehr
Der Vorsitzende des Heimatvereins, der unter den Anwesenden besonders auch den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Hohenlimburg, Hermann Scheffler (MdB), und den Hagener Stadtbaurat Dipl.-Ing. Herbert Böhme begrüßen konnte, dankte den an der Errichtung des Mahnmals beteiligten Personen und Gruppen.
Im Kern seiner Rede ging Gerhard Esser auf die Frage ein, warum, nachdem von der Substanz des abgerissenen Ehrenmals nicht viel übriggeblieben war, der Heimatverein sich nach langen Diskussionen für ein Mahnmal eingesetzt hat, was zunächst manche Hohenlimburger befremdet hätte. Er fuhr fort:
„Doch nachdem der 2. Weltkrieg Dimensionen einer nie zuvor gekannten Grausamkeit und Brutalität entwickelt hat, die sich nicht nur auf den Schlachtfeldern abspielte, sondern sich ebenso gegen die Zivilbevölkerung in vielen kriegsführenden Staaten richtete, ist es unserer Auffassung nach logisch konsequent, Opfergedenkstätten zu errichten, mit dem Blick in die Zukunft gewandt.
Aus diesen Erwägungen heraus wollen wir am heutigen Tage aller Soldaten gedenken, die aufrichtig und in tiefer Überzeugung für unser Vaterland kämpften und den Tod fanden. Wir wollen all derer gedenken, die dem Bombenterror nicht entrinnen konnten und einen grausamen und sinnlosen Vernichtungstod fanden, wir wollen derer gedenken, die wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt und in Konzentrationslagern den Tod fanden, wir wollen der Juden gedenken, die, weil sie Juden waren, den Todesmarsch in die Gaskammern antreten mussten.
Wir wollen auch derer gedenken, die auf der Flucht vor den nahenden Feinden umkamen, all der Soldaten, die aus der Gefangenschaft nicht zurückkehrten, und der vielen Menschen, die heute noch als vermisst gemeldet sind. Aber wir gedenken nicht nur der Millionen Toten, sondern auch derer, die heute noch an den Folgen des Krieges leiden wie die unzähligen Verkrüppelten, Kriegsversehrten, Witwen und Waisen. Wir denken an die Familien, die auseinandergerissen wurden und nie wieder zusammenfanden.
Schließen wir zuletzt in unsere Trauer um alle Kriegsopfer unser auf Beschluss der damaligen Siegermächte geteiltes Vaterland ein, dann hoffe ich, dass Sie Verständnis dafür haben, wenn wir ein Mahnmal bauten. Es soll stets die Erinnerung an diese unmenschlichste Zeit der Geschichte wachhalten, es soll uns, die wir leben, und die nach uns kommenden Generationen zu steter Wachsamkeit und Besinnlichkeit mahnen, alles politische Handeln so zu betreiben, dass der Friede gewahrt wird zum Segen der Menschheit.“ – Bezirksvorsteherin Marie Schumann, die stets die Pläne für diese Gedenkstätte nachdrücklich unterstützt hatte, stellte in den Mittelpunkt ihres Grußworts die aus der stummen Anklage der Toten erwachsene Verpflichtung für die Lebenden, Konflikte friedlich zu regeln, in einer Welt, die das bis heute noch nicht gelernt habe.
Die Ausführungen von Pfarrer Paul Marx sind auch ein Zeitgeistdokument der siebziger Jahre. Ausgehend von den Schmerzen der Menschen, von ihren Opfern und Leiden, führte der Pfarrer, ohne den Zuhörern etwas zu schenken, in seiner Ansprache aus dieser Welt des Wahns, der Kriegslust und Verzweifelung dialektisch heraus nach vorn, auf ein menschenwürdiges Leben und Frieden hin. In seinen Ausführungen spiegelt sich die Grundsatzdiskussion wider, die der Errichtung des Mahnmals in Hohenlimburg vorausging.
Ein kalter Stein, schön anzuschauen?
Pfarrer Paul Marx sagte u.a.: „Auf der anderen Seite erschrecke ich darüber, dass wir ein Mahnmal, aus Stein gehauen, im Park aufgestellt, überhaupt nötig haben. Genügen uns nicht die Menschen, die Opfer, die wir täglich sehen und erleben? …. Was sind wir für eine Gesellschaft, für Menschen, die einen Stein nötig haben, um an den Frieden, an Versöhnung erinnert zu werden? Ich habe Angst vor solchen Menschen; denn wieder finden wir unter uns den Ungeist des Hasses, des reinen Machtdenkens, des Gruppenegoismus, des Nationalismus, der Voreingenommenheit gegenüber Fremden und Fremdem; wieder finden wir unter uns – nicht nur weit weg in fremden Ländern – Brutalität, Grausamkeit, Ausbeutung, Misshandlung, Folter, Unterdrückung, Mord. Was sind wir für Menschen, die einen Stein brauchen, um daran erinnert zu werden, dass es bei uns menschlich zugehen muss?!
Anscheinend ist es notwendig, und deshalb ist es auch gut, dass hier dieses Mahnmal errichtet worden ist. Anscheinend brauchen wir das heute wieder. Wir sind also erneut aufgerufen zur Besinnung auf den letzten Krieg, auf seine Ursachen und Folgen, aber auch auf Ursachen und Folgen des Hasses und der Lieblosigkeit hier bei uns. Wer heute an der Übergabe des Mahnmals an die Bevölkerung teilnimmt, bei dem aber ab sofort nichts von Versöhnung, Frieden, Friedensarbeit zu spüren ist, der ist eigentlich fehl am Platze. Wir werden nämlich in die Pflicht genommen, wir, die wir hier sind, heute so zu leben, dass wir nicht morgen von neuem Konflikte mit Waffengewalt und körperlicher Kraft austragen werden; wir werden gemahnt, dass das Vergangene nicht tot ist, sondern dass Versöhnung notwendig ist, nicht nur zwischen den Völkern, sondern auch unter uns, in unserer Stadt, in unserem Land, in unseren Familien; wir werden ermahnt, den Weg nach vorne nur zu finden, wenn wir aus der Vergangenheit für morgen lernen, dass wir uns einsetzen für das Leben des Menschen, gegen Unterdrückung, Folter, Ausbeutung, Rassismus, Nationalismus, Konzentrationslager, Krieg.
Ich wünsche, dass dieses Mahnmal nicht nur ein kalter Stein ist, schön zu betrachten. Von einem Stein kann nichts ausgehen, wir Menschen müssen etwas tun. Ich wünsche mir, dass von diesem Stein Leben ausgeht und wir hier etwas davon zu spüren bekommen. Es geht um uns alle, es geht um die Würde des Menschen, um unser Leben und um das aller anderen Menschen, es geht um Versöhnung und Frieden in der Welt, aber auch bei uns in Hohenlimburg und bei jedem einzelnen. Die Aufgabe der Versöhnung, des Friedens ist uns gestellt. Tun wir also, was unsere Pflicht ist. Oder worauf warten wir noch?“
Zur Gestaltung des Mahnmals
Das Mahnmal besteht aus drei miteinander verbundenen monolithischen Säulen, deren mittlere die beiden anderen überragt. In der Bauzeichnung heißt es: „Kleinwendern-Granit, allseitig gebrannt, Kanten stark gerundet“. Der Mittelbereich des Monuments hat eine Höhe von 4,50 m. Die Säulen deuten ein Kreuz an. Die Inschrift lautet: „DEN TOTEN DER KRIEGE ZUR EHRE DEN LEBENDEN ZUR MAHNUNG“. Auf der Rückseite des Monuments wurden der Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. als Erbauer mit der Jahreszahl 1978 und der Architekt „M. Stölzel Wuppertal“ verewigt. Der hügelartige Standort des Objekts ist überpflastert und von einem Eichenhain im Halbkreis umsäumt. In dem Teil des Hains, der an die Wohnbebauung der Esserstraße grenzt, wächst im Hintergrund ein stattlicher Walnussbaum. Er hat sich dort gegen den Hain aus Eichen behauptet und deren Entwicklung an dieser Stelle verhindert. Das Blätterdach des Walnussbaums bildet heute mit den Eichen eine Einheit.
Gedenkstunde am Volkstrauertag
„Der Volkstrauertag in Hohenlimburg fand zu einem Rahmen, der für die nächsten Jahre beispielhaft werden sollte“, schrieb die WESTFALENPOST in ihrer Ausgabe vom 20. November 1978. Diese Erwartung hat sich im wesentlichen erfüllt, wenn auch der Kreis der teilnehmenden Männer und Frauen, die Krieg, Verfolgung und Vertreibung noch selbst erlebt haben, in den seither vergangenen Jahren naturgemäß immer kleiner geworden ist.
Den jährlichen Einladungen des Heimatvereins zum Volkstrauertag folgen seit 1978 Vertreter der Parteien, der Vereine, Verbände und Bürger. Gedenkreden hielten seither vor allem Geistliche der beiden großen Kirchen und Politiker. Darin spiegelten sich auch aktuelle politische Entwicklungen wider, so etwa, als es um die Frage der westlichen Nachrüstung ging, Jahre vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Pakts.
Widbert Felka
Literaturauswahl
Bleicher, Wilhelm: Das ehemalige Hohenlimburger Ehrenmal an der Iserlohner Straße, in: Heimatblätter für Hohenlimburg, 35. Jahrgang, Nr. 3/1974, März 1974, S. 66-68
Felka, Widbert: Das Mahnmal an der Esserstraße wurde feierlich übergeben, in: Heimatblätter für Hohenlimburg, 40. Jahrgang, Nr. 2/1979, Februar 1979, S. 36-39
Felka, Widbert: Ehrenmal-Soldat und Gefallenen-Namenstafeln wurden wieder aufgestellt, in: HOHENLIMBURGER HEIMATBLÄTTER, 45. Jahrgang, Nr. 5/1984, Mai 1984, S. 82-83
Felka, Widbert: 20 Jahre Mahnmal Hohenlimburg, in: Heimatbuch Hagen + Mark, 40. Jahrgang, S. 279-283
Felka, Widbert: Zum 20. Jahrestag der Einweihung des Mahnmals an der Esserstraße (mit Ansprache Superintendent Heinz-Dieter Quadbeck, Iserlohn), in: HOHENLIMBURGER HEIMATBLÄTTER, 60. Jahrgang, Nr. 6/1999, Juni 1999, S. 234-238
Felka, Widbert: Pastor Dr. Thorsten Jacobi: Tue deinen Mund auf … Volkstrauertag 2003 – 25 Jahre nach Einweihung des Mahnmals an der Esserstraße (mit Text der Ansprache Dr. Jacobi), in: HOHENLIMBURGER HEIMATBLÄTTER, 65. Jahrgang, Nr. 5/2004, Mai 2004, S. 172-175
Hinweis:
Verzeichnisse der Toten des 2. Weltkriegs wurden veröffentlicht in den Jahrgängen 1984, 1985, 1986, 1987, 1990 der HOHENLIMBURGER HEIMATBLÄTTER.