Die Heimatbewegung im „Dritten Reich“
Am 4. November 2011 skizzierte Dr. Ralf Blank vom Historischen Centrum Hagen bei einer öffentlichen Veranstaltung des Vereins für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. im Gemeindehaus der Reformierten Kirche in der Freiheitstraße die Rolle und Funktion der Heimatvereine in Hohenlimburg und Hagen während des Nationalsozialismus. Hierbei hat Dr. Blank den Umgang mit der Vergangenheit und auch der Bewältigungsprozesse, die in der Nachkriegszeit einsetzten und heute noch nicht abgeschlossen sind, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen gestellt. Die Rolle des Vereins für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg e.V. in dieser Zeit wird im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit aufgearbeitet werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Hohenlimburg und Hagen zwei Vereine gegründet: 1920 der Verein für Orts- und Heimatkunde Hohenlimburg und 1925 der Hagener Heimatbund. Beide Vereine zählten schon bald nach ihrer Gründung jeweils zu den mitgliederstärksten Vereinen in ihren Städten. Die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Krise nach dem verlorenen Weltkrieg erscheint auf den ersten Blick alles andere als geeignet, die Gründung von lokalen Geschichtsvereinen zu befördern. Doch das Gegenteil war der Fall. In Hohenlimburg und Hagen wurden gleichzeitig auch die Grundlagen für den Aufbau von historischen Museen gelegt. In Hohenlimburg bildete das 700-jährige Jubiläum von Stadt und Burg im Jahre 1930 einen weiteren Zielpunkt für die Vereinsmitglieder.
Als die Nationalsozialisten nach der Kommunalwahl im März 1933 in Stadt und Region endgültig die Macht übernahmen, existierten in Hohenlimburg und Hagen nicht nur zwei aktive Heimatvereine, sondern auch von diesen Vereinen seit mehreren Jahren betriebene Geschichtsmuseen. Die Heimatvereine bildeten in beiden Städten wichtige Pfeiler der nationalsozialistischen Kultur- und Geschichtspolitik. In beiden Vereinen bestimmten nach der Machtübernahme die Nationalsozialisten und ihre Ideologie.
Während in Hagen die Kommune und die NSDAP den örtlichen Heimatverein sowie auch das ‚Heimatmuseum‘ mit seinen Sammlungen übernahm, blieb der Hohenlimburger Verein zumindest nach außen von der Stadtverwaltung und Politik unabhängig. Dies hatte wohl nur formale Gründe, die Wirklichkeit sah anders aus. In Hohenlimburg hatte der NS-Ortsgruppenleiter nach dem Tod des nationalkonservativen Vereinsgründers Hermann Esser 1935 die Vereinsführung übernommen. In Hagen „ersetzte“ im gleichen Jahr der Kulturamtsleiter der NS-Kreisleitung den bisherigen Vorsitzenden, Prof. Dr. Adolf Sellmann.
Im Hohenlimburger Verein wurden die jüdischen und politisch „unerwünschten“ Mitglieder schon 1933 aus dem Vereinsregister gestrichen. Ein solcher Schritt war zu dieser Zeit durchaus noch unüblich und kann als vorauseilender Gehorsam interpretiert werden. Eine „Gleichschaltung“ erlebten die Heimatvereine nicht, da sie von den Nationalsozialisten als „gleichgeschaltet“ angesehen wurden. In Hagen ging der dortigen Heimatbund 1940 in den neu gegründeten Hagener Museumsverein auf; er stand unter nationalsozialistischer Leitung. In Hohenlimburg überstand der Heimatverein die vermeintliche „Stunde Null“ und setzte seine Arbeit nach 1945 fort. Waren die Heimatvereine tatsächlich willige Erfüllungsgehilfen der Nationalsozialisten, wie in den 1980/90-er Jahren in Hohenlimburg unterstellt wurde?
In den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts kam es in Hohenlimburg und Hagen zu öffentlichen, teils auch emotional heftig geführten Diskussionen. Sie kreisten um die Rolle der Heimatvereine im „Dritten Reich“. In Hohenlimburg wurde das Fehlen einer „Vergangenheitsbewältigung“ und mangelnde Transparenz kritisiert. Die andere Seite sah sich persönlichen Angriffen ausgesetzt und betrieb Bagatellisierung, ohne das tatsächliche Ausmaß der historischen Ereignisse zu kennen. Diese Form der „Vergangenheitsbewältigung“ musste scheitern.
In Hagen verlief es anders aber doch ähnlich, als dort Anfang der 1980-er Jahre kritische Fragen nach der Vereinsgeschichte in „dunkler Zeit“ aufkamen. Vertreter des Hagener Heimatbundes, allesamt Protagonisten aus den 1930-er Jahre, engagierten sich für die Umbenennung des Stadthistorischen Museums in Heimatmuseum. Bei ihrem im Rückblick kurios anmutenden Bemühen, die Zeit in einer Großstadt zurückzudrehen, verfielen sie immer mehr in eine ideologisierte Historisierung ihrer Vereinsgeschichte, die mangelnde Rückbesinnung und fehlende Reflektion der Heimatbewegung im „Dritten Reich“ offenbarte.
Während sich der Verein für Orts- und Heimatkunde in Hohenlimburg im Jahre 2008 öffentlich für seine Rolle im „Dritten Reich“ entschuldigte und auch die 1933 ausgeschlossenen Mitglieder wieder aufnahm, bedarf die Rolle des Hagener Heimatbundes noch weiterer Untersuchungen.
(Text: Dr. Ralf Blank, Historisches Centrum Hagen, November 2011)
Referent: Dr. Ralf Blank
Die Heimatvereine im „Dritten Reich“ im Blickfeld der Presse:
Zum Ausschluss von Vereinsmitgliedern 1933/34